Aufgeräumte Psyche. Zuhause mehr daheim. In einem Interview für das DM-Magazin “active beauty” zeige ich, warum man Vorhänge aufmachen muss, auf dem Schreibtisch keine Türme bauen soll und ein klares Zentrum so wichtig ist…
Interview von Andrea Fehringer & Thomas Köpf mit Helmut Berger.
Sind Sie ein ordentlicher Mensch?
Ich bin glücklich, wenn etwas ordentlich ist, aber ich bin kein Pedant. Ich kann auch einmal etwas schief sein oder liegen lassen. Ich hab im Laufe meines Lebens erkannt, dass es Prinzipien gibt, und wenn man die ver-folgt und ausprobiert, hat es durchaus seine Bewandtnis, wenn man da einmal etwas an seinem Verhalten umstellt. Bei mir ist das mittlerweile zu einem zweiten Kleid geworden. Bevor ich was Neues beginne, muss ich einmal aufräumen. Ich mache auch jeden Tag meinen Schreibtisch frei. Weil das ein so tolles Gefühl ist, wenn man zurückblickt und sagt: Okay, der Tag ist erledigt, und morgen beginne ich neu. Das geht nicht, wenn auf einem großen Schreibtisch die Türme aufragen. Man hat nie ein Erfolgserlebnis, taucht ständig in einen Wust an Unerledigtem ein. Das Unbewusste scannt ja ständig die ganze Umgebung, zu viel Chaos und Unruhe sind eine Belastung.
Waren Sie ein ordentliches Kind?
Eher zwangsordentlich. Aber man hatte zu der Zeit – ich bin Jahrgang 60 – auch noch nicht so viele Sachen wie heute. Das bisschen Spielzeug ist nichts gegen den Plunder, den Kinder heute herumschleppen. Gerade auch in dieser reizüberfluteten Gesellschaft wird Ordnung wichtiger. Alles, was auf uns einströmt, vom Blatt Papier auf meinem Schreibtisch bis zu dem, was wir über Medien aufschnappen, ist ein Impuls, der verarbeitet werden muss. Dafür braucht man Platz und Raum, der auch frei ist.
Aufräumen ist ein großes Thema. Auch im Büro. Da gibt es Schlagwörter wie operative Exzellenz oder Effizienzcoaching. Da kommen Leute und räumen mit einem gemeinsam den Tisch auf, um Platz für eine neue Ordnung zu schaffen. Finden Sie es vernünftig, das auch auf Managementstrukturen umzulegen?
Ja, nur bei Fremdeingriffen bin ich vorsichtiger. Veränderungen sollte schon der Betroffene selbst steuern. Ein einmaliger Impuls mag erfrischend sein, wichtig ist, dass man dranbleibt. Wenn ich irgendeinen Zettel im Postkasten hab, stelle ich mir sofort die Frage: Brauch ich ihn oder nicht? Wenn nicht, landet er keinesfalls auf einer Ablage – er kommt weg. Man muss ins Gehirn hineinbringen, dass es etwas Wohltuendes ist, wenn man Dinge, die man unmittelbar um sich hat, in einer gewissen Ordnung strukturiert. Das führt auch zu einer Klarheit der Gedanken.
Wie stehen Sie zum papierlosen Büro?
Neutral. Wenn ich ein Chaos in meiner elektronischen Ablage habe, ist nichts gewonnen. Es gibt Haptiker, die brauchen Papier. Andere können und wollen auch längere Texte nicht am Bildschirm lesen. Ich bin ein Freund der guten Dialoge. Mir geht es darum, das Beste aus beiden Welten zu kombinieren.
Woran liegt es, dass manche nicht gern am Tablet oder am Computer lesen?
Wir sind dafür nicht geschaffen. Unser Auge, unser Gehirn, das ganze System. Alles ist auf mehr Bewegung, auf Veränderung eingestellt. Immer auf eine Bildschirmfläche zu starren, ist anstrengend. Die elektromagne-tischen und sonstigen Einflüssen der Technik sind eine Zusatzbelastung. Kein Wunder, dass die Augenerkran-kungen in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren massiv gestiegen sind und es immer mehr Brillenträger gibt.
Wie kann man Feng Shui in seinen Arbeitsalltag und in sein Leben integrieren?
Wichtig ist: Feng Shui ist nichts Exotisches, wir tragen es alle in uns. Ein Bauchgefühl. Eine Lebenserfahrung. Eine Intuition. Ein Wohlfühlen oder eben nicht. In Anlehnung an Watzlawick, der gesagt hat, dass man nicht nicht kommunizieren kann, behaupte ich: Man kann nicht nicht Feng Shui machen. Weil wir ständig eine Umgebung haben, mit der wir in Austausch sind. Feng Shui ist das Wissen darüber, welche Einflüssse was in uns bewirken. Wenn man die Leute in einem Gasthaus oder Café fragt, wo sie sich hinsetzen wollen, wird keiner sagen: direkt bei der Tür und zwar mit dem Rücken zu ihr. Jeder sitzt gern dort, wo er eine gute Über-sicht hat und niemand hinter ihm ist. Geschützt ist und mit Aussicht. Man will auf eine schöne, weite Landschaft schauen, auf einen See, aufs Meer. Das hat man nicht gelernt, das spürt man. Die teuersten und belieb-testen Baugrundstücke findet man genau in diesen Lagen. Nach hinten geschützt, nach vorne der Blick zur Sonne. Das sind Urprinzipien. Alles hat eine Information, eine Ausstrahlung, eine Eigenfrequenz. Bei Feng Shui geht es also um Physik. Nicht für sieben Milliarden Menschen, sondern für jeden individuell angepasst.
Gibt es trotzdem Grundregeln, die für jeden gelten?
Ganz wichtig ist der Kraftplatz im Raum. Rücken geschützt, nicht im Durchzug, wo ständig Leute hinter einem vorbeigehen. Nicht zwischen Tür und Fenster oder Tür und Tür. Eine Unruheachse führt auch zu Unruhe. Die Kraft kommt von der Stabilität hinter mir. Da sollte kein Fenster sein, keine Tür. Man braucht Platz nach vorne, dort ist die Zukunft. Man muss durchatmen können. Man sollte auch nicht zu nahe an der Wand sitzen, da verabschiedet sich das Leistungspotenzial automatisch. Heißt ja nicht zufällig, man hat ein Brett vorm Kopf.
Was ist mit dem Schlafplatz?
Das Schlafzimmer ist die ruhigste Zone der Wohnung, gleich beim Eingang ist es nicht ideal. Je weiter nach hinten oder oben, desto günstiger. Die Menschen sind zu verschieden, um ihnen zu raten, nach Norden ge-richtet zu schlafen, jeder bevorzugt seine Himmelsrichtung. Das Bett sollte jedenfalls dort stehen, wo man früher den Einbauschrank gehabt hat. Der hatte in der Regel immer die beste Wand.
Verbannen auch Sie den Fernseher aus dem Schlafzimmer?
Ja. Das Leben ist immer fordender geworden, die Reize immer mehr. Es ist elementar notwendig, Räume und Orte der Kraft zu schaffen, an denen man sich wieder finden kann. Das Schlafzimmer ist der letzte Hort des Rückzugs, der Ort für Schlaf, Regeneration, Partnerschaft. Technik: raus. Da bin ich gnadenlos. Die Impulse, die man unterbewusst mit in den Schlaf nimmt, sind Müll.
Warum suchen die Menschen Ihren Rat? Es dreht sich ja nicht um Innenarchitektur.
Die einen können nicht schlafen, andere streiten, dort ist das Kind schlecht drauf, in einer Firma kündigen dauernd Leute. Das ist das Tagesgeschäft. Oder man will experimentieren. Neues ins Leben holen. In einer schon eingerichteten Wohnung, stellt man sich den Raum komplett leer vor, ohne Möbel, und fragt sich, wo es einen hinziehen würde. Heraus kommt immer der stärkste Platz fürs Sofa. Dann ist der Bann gebrochen, der Rest ist Umsetzungssache. Davor hatte man dem sinnlosen Regal oder dem teuren Einbauschrank, in dem Sachen verstauben, den besten Platz gegeben.
Tun sich die Leute schwer, etwas zu ändern, insbesondere, wenn es sich um zwei Menschen und eine Wohnung handelt?
Ja, wir sind ja sehr träge Wesen. Änderung ist Unsicherheit und Mühe, trotzdem schreien wir danach. Nachher sagen die Leute: Wir sitzen jetzt viel öfter auf dem Sofa, auch wenn der Fernseher nicht rennt, wir reden auch mehr miteinander. Man braucht halt einen gemeinsamen Nenner, wenn für den einen was passt, das für den anderen eine Zumutung ist. Es hilft, dass ich ein Mann und Maschinenbauingenieur bin, ich gehe als Techniker völlig unesoterisch an die Sache heran. Ich hole die Meinungen ein, ich erkläre, ich lasse etwas ausprobieren. Schritt für Schritt kommen wir voran.
Das heißt, Feng Shui funktioniert auf logischer, nicht auf spiritueller Ebene?
So ist es. Vor allem ist es praktisch. Man glaubt nicht, wie viele Leute einen wunderbaren Blick in einen Garten haben, aber auf eine Wand schauen. Dafür hätten sie nicht in einer schönen Gegend bauen müssen. Es geht darum, Perspektiven zu wechseln. Aber das machen die Menschen nicht gern. In dreißig Berufsjahren habe ich noch keine Wohnung, kein Büro, kein Haus erlebt, aus dem man nicht etwas Geniales herausholen kann. Egal, wie klein der Raum, wie schräg die Decken, wie beschränkt die Ressourcen sind. Die Puzzleteile sind vorhanden, sie sind nur falsch zusammengesetzt. Der Prozess ist immer spannend. Die erste Reaktion ist meistens ein Puh, muss das sein. Und dann lässt man Licht herein, und es heißt: Das wollte ich eigentlich eh immer machen, und können wir das Klavier nicht auch …
Arbeiten Sie auch mit Licht?
Es gibt nichts, mit dem ich nicht arbeite. Licht ist elementar. Wir sind in einer Klimazone, in der wir nicht extrem mit Wärme und Licht versorgt sind und daher eher unterbelichtet. Bei dunklem Holz, dunklem Boden, dunklen Möbeln braucht man die doppelte Menge Licht. Dazu kommen zu wenige Fenster und zu viele Vorhänge, das ist die typische Pensionistenwohnung. Menschen, die sich aus dem Leben zurückziehen, verhängen die Fenster und leben im Dunkeln. Um so einer Wohnung das Schwermütige zu nehmen und aufatmen zu können, muss man nicht viel investieren. Sich an einem guten Ort aufzuhalten, hat eine unmittelbare Rückkopplung auf die Psyche. Das ist so wie im Urlaub oder wenn man mit Leuten zusammen ist, die eine gute Ausstrahlung, eine fröhliche und positive Art haben.
Es gibt ja auch Wohnungen, die toll ausschauen, und man sich trotzdem nicht wohl fühlt.
Da kommt oft von den Materialien. Was wir heute in der modernen Architektur als besonders stylisch empfinden – viel Grau, Anthrazit, Weiß, viele klare Kanten, Glastische und so weiter –, schaut schick aus, ist aber das Gegenteil einer harmonischen Wohlfühl-Atmosphäre. In der Natur findet man nicht viele gerade Kanten, überhaupt wenig Lineares. Da fließt alles, Lichtstimmungen, Formen und Farben spielen zusammen. An einem begradigten Fluss ist das nicht so. Wenn in einem Großraumbüro zehn Tische hintereinander in einer Reihe aufgefädelt sind, ist das ein Horror. Wenn es Nischen, Zonen, Inseln, Besprechungsbereiche und Pflanzen gibt, wird es organischer.
Haben Sie Tipps für Leute, die nicht alles umstellen müssen, sondern bloß unordentlich sind?
Das ist eine Veranlagung, die man nur bedingt positiv oder negativ beeinflussen kann. Wenn man viel Hektik und Unstrukturiertes im Leben hat, zwischen Tür und Angel wohnt, keinen stabilen Sofaplatz zum Regenerieren hat, wenn alles eingezwickt und eng ist, kommt man nie in die Entspannung hinein.
Wie wichtig ist Stille in einem Raum? Es läuft ja meistens ein Radio im Hintergrund oder der Fernseher.
Auch Stille ist elementar. Da geht es wieder um Platz, Raum schaffen, Struktur. Nur wer ausreichend Stille um sich hat, kommt zum Nachdenken, kann loslassen. Wenn das Radio ständig rennt, zieht es einen von sich selbst weg, bis man sich eine Auszeit nehmen muss und den Jakobsweg geht. Auch Verkehrslärm ist ein Energieräuber. Die wohlhabenden Zonen in Städten sind leise. Natur, Bäume, Wasser, Vogelgezwitscher. Ich rate: Radio, raus aus dem Büro.
Gibt es beim Feng Shui, das ja altes Wissen ist, auch Trends?
Das mag vielleicht überraschend sein, aber ja, es gibt Trends. Das Ergebnis meiner langjährigen Tätigkeit ist, dass es eines Impulses bedarf, einer Keimzelle, um die herum sich etwas manifestieren kann. Die alten Baumeister haben den Omphalos gekannt. Einen Grundstein, um den herum etwas wächst. Wenn man einen Stein ins Wasser wirft, zieht das seine Kreise. Das haben wir mit speziellen Mineralien, den » Harmonizern entwickelt. Wir haben altes Wissen mit neuer Technik kombiniert. Wir sind so vielen Belastungen ausgesetzt, da braucht es wieder diesen zentrierenden Impuls mit einer positiven, regenerierenden Wirkung. Das ist momentan der Trend. Die Rückmeldungen, die wir von den Leuten bekommen, sind phänomenal.
Wie schaut so ein Harmonizer aus und wie funktioniert er?
Das sind keramische Behälter, mit einer bestimmten Menge an gemahlenen Mineralien. Jedes Mineral ist ein Resonator, hat seine eigene Persönlichkeit. Wir mischen gewisse Rezepturen. Früher hat man auch bestimmte Mineralien auf einen Grund aufgetragen und dann erst das Haus darauf gebaut. Dieses verlorene Wissen haben wir wieder ausgegraben und weitergeführt. Man stellt die Harmonizer, die verschiedene Reichweiten haben, in die Mitte eines Raums. So wie es früher an jedem Marktplatz einen Brunnen und einen Dorfbaum gab, meistens eine Linde. Die richtige Mineralienmischungen schafft eine Erdung.
Was kostet das?
Von 95 Euro für den Schlafplatz über 127 Euro für einen Arbeitsplatz bis zu 370 Euro für ein ganzes Büro. Also durchaus leistbar. Man muss nichts aktivieren oder reinigen, man reinigt ja auch keinen Stein in der Natur. Die Kunst ist die richtige Mischung. Es gibt welche, die stark auf Funk, also WLAN, reagieren, andere befreien das eigene Energiesystem von Belastungen, damit sich der Körper wieder daran erinnert, wie heil er sein könnte, und selbst beginnt, sich wieder zu justieren.
Der Feng-Shui-Boom der Neunziger ist etwas abgeflaut. Ist der Trend in der Esoterik ertrunken?
Und dass viele in der Architekturszene nicht einmal ein müdes Lächeln für Feng Shui haben, ist teilweise ein selbstgemachtes Problem der Feng-Shui-Leute, die teilweise mit sehr wenig profunden und sehr dogmatischen, esoterischen Ansätzen arbeiten, teilweise einfach auch mit lächerlichen. Kein Wunder, dass das viele nicht ernst nehmen.
Schätzt man Feng Shui jetzt eher als Problemlöser?
Ja. Hauptproblem Nummer eins: der Schlaf. Nummer zwei: Die Kinder kriegen einfach die Füße nicht mehr auf den Boden. Sie haben Verhaltensauffälligkeiten, die heute schnell als ADHS diagnostiziert und mit Medikamenten behandelt werden. Räume schaffen, Platz machen, entrümpeln. Das sind die Themen, die immer wichtiger werden. Aus Viel viel weniger machen. Ich bin so etwas wie ein Mahner, der sagt: Wunderbar, Sie haben ein neues Haus gebaut und können aus der Ferne das Garagentor überwachen, aber Sie sitzen da drin in einem Strahlensalat. Und das sag ich als Techniker. Aber das ist messbar. Und genau hier keimt gerade ein neuer Trend. Die Leute, meistens die Frauen, sagen: Nein, ich will kein WLAN, ich will mein Internet verkabelt haben. Das sind oft große Kämpfe, aber es macht einen Unterschied aus. Alles geht zurück zu den Wurzeln, zu wahren Werten, die wir eine Zeitlang vergessen haben. Und wir sind erst am Anfang dieses Trends.